Das Dilemma des Fachkräftemangels

Die Wirtschaft stöhnt: Die Auswirkungen des Fachkräftemangels stellen ein großes Problem dar. Der Aufwand für die Rekrutierung steigt, die Belastung für die vorhandenen Arbeitskräfte nimmt zu, der Termindruck wächst, es drohen Auftragsverluste.

Die Unternehmen sind in einem Dilemma. Einerseits gilt es, die im Unternehmen etablierten Fachkräfte zu halten, sie zu fördern und ihnen gute Rahmenbedingungen zu bieten. Andererseits nimmt der Druck zu, weil es schwierig ist, neue Fachkräfte zu gewinnen. Dabei bleibt die Personalentwicklung oft auf der Strecke. Persönliche Weiterbildung, der Ausbau von Selbst- und Sozialkompetenz findet so gut wie nicht statt. „Dafür ist doch keine Zeit!“ „Wir müssen schauen, dass wir unsere Arbeit schaffen.“ Das hat fatale Konsequenzen. Die Fluktuation nimmt zu, der Krankenstand steigt, die Produktivität sinkt, der Arbeitsdruck wächst noch mehr. Ein Teufelskreis. „Kürzlich hat eine Mitarbeiterin gekündigt, die hatten wir gar nicht auf dem Schirm. Sie war eine unserer besten Fachkräfte in ihrem Bereich und niemand hat gemerkt, dass sie unzufrieden ist. Im Abschlussgespräch hat sie uns erzählt, dass sie hier keine Entwicklungsmöglichkeiten gesehen hat.“ Jeder wertvolle Mitarbeiter, der geht, hinterlässt Spuren. Er hat Bindungen zu Kollegen und Kunden aufgebaut, die gekappt werden. Er hat Erfahrungen, Fachwissen und Kontakte in seinem Marschgepäck, die für immer verloren sind. Der Verlust eines qualifizierten Mitarbeiters ist aber nicht nur schmerzlich, sondern kostet Geld – und das nicht zu wenig. Oft sind es die guten Leute, die zuerst gehen – oder diejenigen, die am unabhängigsten sind. Für die anderen steigt der Druck. Es ist heute gut belegt, dass Dauerstress krank macht – und dumm. Die Leistung sinkt, die Konzentrationsfähigkeit und die Kreativität leiden, Schlafstörungen nehmen zu und verstärken die Spirale nach unten.  Wie steigen wir nun aus dieser Spirale aus? Ich glaube, es wird Zeit, mehr in die Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenzen zu investieren. Selbstkompetente Persönlichkeiten wissen, wer sie sind und können das auch zeigen. Sie kennen ihre Grenzen und übernehmen für sich selbst Verantwortung. Sie vertrauen sich und kennen ihren Wert. Daraus entwickeln sich auch soziale Kompetenzen. Wenn ich weiß, wer ich bin, wenn ich Sicherheit in mir selbst finde, mich selbst achte und weiß, was ich wert bin, dann kann ich mich mit meiner ganzen Persönlichkeit einbringen, wachsen und auch andere wachsen lassen. Es entsteht ein Klima des gegenseitigen Vertrauens und Respekts, das langfristig Kulturen verändert und Unternehmen fit für die Zukunft macht.  Ich bin überzeugt: Mit selbst- und sozial kompetenten Menschen gelingt es leichter, die zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Die Entwicklung von Fachkompetenzen ist wichtig, die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts sind aber Selbst- und Sozialkompetenzen. Die Halbwertzeit von Fachwissen wird immer kürzer. Um damit Schritt halten zu können, brauchen wir Menschen, die über Selbst- und Sozialkompetenz verfügen. Die Investition in die Entwicklung von diesen Kompetenzen zahlt sich langfristig aus. Dafür braucht es ein intelligentes Konzept, das individuell konzipiert ist und langfristig wirkt. Ein Element eines solchen Konzepts ist die Achtsamkeit. Die Aufmerksamkeit bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu richten, wahrzunehmen ohne zu bewerten und dabei offen und neugierig zu bleiben, diese Kompetenz ist uns abhanden gekommen. Wir sind Getriebene der Zeit, eigener und fremder Ansprüche und haben verlernt, auf unseren Körper zu hören. Für alles haben wir ein Mittel, das die Symptome bekämpft, aber nicht die Ursache. Vielleicht würde uns ein achtsamer Umgang mit uns selbst und anderen helfen, dieses Symptom unserer Zeit wahrzunehmen und die Ursache zu erforschen. Aber das ist ein anderes Thema – dazu mehr beim nächsten Mal.