"Das mache ich mit links" - oder wozu ein Missgeschick gut sein kann

Die letzten acht Wochen war mein Motto: „Das mache ich mit links“. Ich gebe zu, das war nicht ganz freiwillig. Ich hatte mir das rechte Handgelenk mehrfach gebrochen und mein rechter Arm war zunächst bis zum Oberarm und dann später bis zum Ellbogen mit einer Gipsschiene fixiert.

Seit zwei Wochen lerne ich, ohne Fixierung wieder meine rechte Hand einzusetzen. Jeden Tag freue ich mich über kleine Fortschritte. Ich habe gemerkt, dass eine gute Strategie hilft, auch mit einer Hand zurecht zu kommen. Ich habe aber auch gemerkt, wie viele Dinge es gibt, für die man zwei Hände braucht. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Zum Beispiel, um Hilfe zu bitten und anzunehmen. Es gibt viele hilfsbereite Menschen und manchmal musste ich nicht einmal fragen. Ich habe gelernt, mich in Geduld zu üben. Egal wie gut die Strategie ist, mit einer Hand dauert vieles einfach länger. Mit links tippen geht gut, dauert halt. Mit einer Hand zu essen, erfordert Geduld und Aufmerksamkeit. Ich habe neu sortiert, was wirklich wichtig ist. Ich habe gelernt, noch besser auf mich zu achten. Ich konnte mich darin üben, loszulassen und Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Im Prinzip hat mir ein unachtsamer Moment, in dem ich die Treppe hoch gestolpert bin, noch mehr Achtsamkeit geschenkt. Mein Vertrauen – in mich und andere – ist gewachsen. Ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt und Dinge auf eine ganze neue Art und Weise gemacht. Ich merkte, Gewohnheiten sind mächtig, aber überwindbar. Ich schätze jeden einzelnen Augenblick und freue mich über jeden kleinen Fortschritt: wieder mit Messer und Gabel zu essen, die Haare waschen und föhnen, eine Mahlzeit zubereiten, Auto zu fahren. Auch meine Dankbarkeit ist gewachsen. Ich habe viel Unterstützung, Aufmerksamkeit und Mitgefühl erfahren von vielen Seiten – vor allem von meiner Familie. Meine Erkenntnisse: Ein Moment der Unachtsamkeit kann das Leben verändern, viele Lernchancen bieten und letztlich zu mehr Achtsamkeit und Dankbarkeit führen. Und: „Das mache ich mit links“, hat seine Grenzen und dann ist es einfach gut, wenn eine helfende rechte Hand da ist.