Die Zeitfee war da!

"Stell dir vor, heute Nacht kommt die Zeitfee und schenkt dir eine Stunde. Der Tag heute hat also 25 statt 24 Stunden. Was machst du mit dieser einen geschenkten Stunde?" Diese Frage stelle ich sehr gerne bei meinen Zeitmanagement-Kursen.

In der Nacht  vom 24. auf den 25. Oktober war die Zeitfee tatsächlich da. Durch die Uhrenumstellung gewinnen wir heute eine ganze Stunde. Was machen Sie mit dieser Stunde? Länger schlafen? Einen schönen Spaziergang? Lesen? Oder etwas ganz anderes? Ich stelle diese Frage gerne, weil sie zeigen kann, was in unserem Leben zu kurz kommt. Also die Dinge, für die wir "keine Zeit" haben. Was ja nicht stimmt. Denn die Zeit ist da. Sie ist nicht weg. Wir verwenden sie nur für etwas anderes. Wir leben von Moment zu Moment und entscheiden in jedem Moment, was wir tun - oder eben nicht tun. Zeit ist vergänglich, so wie alles im Leben. Gedanken kommen und gehen, Gefühle kommen und gehen, Schmerzen kommen und gehen, Glücksmomente kommen und gehen. Die Zeit ist ein ewiger Kreislauf, erst die Uhr hat die Zeit zu etwas Linearem, Messbaren gemacht. Wir sind eng getaktet. Der Wecker reißt uns morgens aus dem Schlaf, die Termine für den Tag sind fixiert und auch die Freizeit ist verplant. So mancher hat das Gefühl, dass das Leben wie ein ICE an einem vorbeirauscht. Während wir duschen, wälzen wir die ersten Probleme. Beim Frühstück checken wir die ersten Nachrichten. Im Auto denken wir an die Arbeit, die uns erwartet. Selten sind wir mit den Gedanken dort und in dem Moment, in dem wir uns befinden. Bei einer Studie der Harvard University hat man herausgefunden, dass Menschen zu fast 50 % der Zeit nicht im gegenwärtigen Moment sind. Man hat auch herausgefunden, dass die Menschen, die mit der Aufmerksamkeit bei dem waren, was sie gerade taten, im Schnitt glücklicher waren - und zwar unabhängig davon, ob sie mit etwas Angenehmen oder Unangenehmen beschäftigt waren. Es lohnt sich also, die Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Erfahrung im gegenwärtigen Moment zu lenken und dort zu halten. Und dieser Erfahrung urteilsfrei zu begegnen, mit Neugierde, Offenheit und Akzeptanz - also achtsam. Wie wäre es, wenn Sie Ihre geschenkte Stunde heute achtsam verbringen. Vielleicht mit einem achtsamen Gespräch, in dem Sie sich ganz offen auf die andere Person einlassen und zuhören, ohne zu bewerten oder sich in eigene Geschichten zu verstricken. Vielleicht mit einem Spaziergang in der Natur, in der Sie ganz bewusst wahrnehmen, was Sie sehen, hören, riechen oder fühlen - so als wäre es das erste Mal. Nehmen Sie dabei auch die Bewegung Ihres Körpers und Ihren Atem wahr. Sie werden staunen, was Sie alles entdecken. Probieren Sie es aus und diese geschenkte Stunde wird Ihnen im Gedächtnis bleiben. Denn das durchbricht unser Muster, gedanklich in der Vergangenheit oder der Zukunft zu sein. Jeder Moment ist einzigartig, er wird nie wiederkommen. Den jetzigen Augenblick bewusst wahrzunehmen und inne zu halten, kann uns helfen, uns mit uns selbst, anderen Menschen und unserer Umwelt verbunden zu fühlen. Und ich glaube, genau das brauchen wir in einer Zeit des Abstandshaltens in einer Pandemie und vieler Umbrüche im Leben ganz besonders.