Eile mit Weile und Achtsamkeit
Bereits der römische Kaiser Augustus soll den Wahlspruch „festina lente“, also „Eile langsam“ gehabt haben. Das Sprichwort „Eile mit Weile“ klingt heutzutage etwas antiquiert. Ist es aber ganz und gar nicht, finde ich. Im Gegenteil. Es passt gut zum Trend der Achtsamkeit.
Wir leben in einer unsicheren, mehrdeutigen und komplexen Welt, die sich immer schneller verändert. Es wird erwartet, dass sich Menschen und Organisation schnell an veränderte Situationen anpassen und flexibel darauf reagieren. Hektik und Aktionismus sind dabei jedoch selten zielführend. „Eile mit Weile“ ist gerade in unserer heutigen Welt eine gute Strategie: Schnell zu sein mit der nötigen Ruhe, um den Herausforderungen kraftvoll, kreativ und überlegt zu begegnen. Der Alltag unterliegt einer gewissen Dynamik und ich nehme in meinen Seminaren wahr, dass sich viele Menschen nur noch als Getriebene fühlen. Als größter Stressoren werden in der Regel Zeitdruck, Hektik und hohes Arbeitstempo angegeben. Besprechungsmarathons, Dauerbombardement durch E-Mails, Echtzeit-Kommunikation, Kaffee „to go“. Keine Zeit für Entspannung. Keine Zeit zum Essen. Keine Zeit zum Reden. Keine Zeit ist das Schlagwort unserer Zeit geworden. Es ist seltsam, dieses „keine Zeit haben“. Die Lebenserwartung hat sich in den letzten hundert Jahren fast verdoppelt, die Arbeitszeiten sind seit den 1950ern zurück gegangen. Wir haben heute viele Maschinen, die uns Arbeit abnehmen und Freizeit schenken. Also wo ist sie hin, die Zeit? Die gute Nachricht: die Zeit ist immer noch da. Wie sagte Goethe in „Dichtung und Wahrheit“: ...“Die Zeit ist unendlich lang und ein jeder Tag ein Gefäß, in das sich sehr viel eingießen lässt, wenn man es wirklich ausfüllen will.“ Wie wäre es deshalb, mal kurz inne zu halten? Achtsam wahrnehmen, was gerade passiert. Für einen Moment aus dem Hamsterrad aussteigen und reflektieren: Was ist wirklich wichtig im Leben? Was brauche ich – hier und jetzt. Sich auf sich selbst zu besinnen und zu erkennen, dass die Wahrnehmung der Welt unsere eigene Konstruktion ist. Es tut gut, nach innen zu schauen, ohne das Außen zu vernachlässigen - wahrzunehmen ohne zu bewerten. Diesen Prozess nennt man heute Achtsamkeit. Die Anzahl der Studien zur Achtsamkeit ist in den letzten Jahren in die Höhe geschossen. Die Ergebnisse: Achtsamkeit schult die Fähigkeit zur Empathie, weil wir andere nur spüren können, wenn wir uns selbst spüren. Achtsamkeit eröffnet Räume für Lösungen und aufmerksamer Kommunikation. Achtsamkeit führt zu Veränderungen im Gehirn, sorgt für bessere Entspannung, steigert die Konzentration und verstärkt positive Gefühle. Eile mit Weile ist also nach wie vor aktuell: Die Hektik der Welt achtsam wahrnehmen, im Inneren die Ruhe bewahren und überlegt handeln. Dies könnte ein Kompass für die Zukunft sein.