Gedanken zum Weltfrauentag
Aus Anlass des Weltfrauentags am 8. März wurde ich gefragt, was Frau sein für mich bedeutet und wie ich zum Weltfrauentag stehe. Ich fand diese Frage sehr spannend und habe mir dazu Gedanken gemacht, die ich hier teile.
Frau – Mann – Mensch
Frau sein… ist das anders als Mann sein oder Mensch sein? Das war meine erste Überlegung. Ich denke, wir sind alle miteinander verbunden durch unser Mensch sein, egal ob Mann oder Frau. Und doch gibt es Unterschiede – zwischen Männern und Frauen, und natürlich auch zwischen Menschen. Es macht durchaus einen Unterschied, ob man als Mann oder Frau geboren wurde – in manchen Ländern und Kulturen einen kleineren, in vielen aber einen großen. Mädchen und Frauen wird die Bildung verwehrt, Frauen werden unterdrückt, geschlagen und erniedrigt. Sie sind in ihrer Freiheit und Berufswahl eingeschränkt, dürfen nicht wählen, nicht Auto fahren, nicht alleine ausgehen. Alles, was für uns ganz selbstverständlich ist, ist es in vielen Kulturen eben nicht. Wir dürfen nicht aufhören, gegen diese Ungerechtigkeiten und Unterdrückung der Frauen zu kämpfen.
Krieg, Terror und Gewalt
Mitten in Europa erleben wir gerade einen unsäglichen Krieg, der uns alle schockiert. Wir erleben seit Jahren Menschen, die vor Terror aus ihrer Heimat fliehen. Wir stehen fassungslos vor dem Ausmaß von sexuellem Missbrauch, sogar in der Kirche, und brauchen Frauenhäuser, in die Frauen und Kinder vor häuslicher Gewalt flüchten. Anstatt zu kooperieren und uns dem weltweiten Problem der Klimakrise gemeinsam zu stellen, gibt es Machtdenken, Konkurrenz und Gewalt. Ich frage mich manchmal, ob es mit mehr Weiblichkeit in der Politik und an den richtigen Stellen anders laufen würde. Ob wir weniger atomare Bedrohung, weniger Waffen, weniger Konkurrenz und mehr Kooperation zwischen den Staaten hätten. Ich hoffe sehr, dass ein Umdenken stattfindet und wir im 21. Jahrhundert einen anderen Umgang mit den Krisen finden. Im Moment sieht es leider nicht so aus.
#break the bias
Das war das diesjährige Motto des Weltfrauentags am 8. März, also stoppt die Voreingenommenheit. Damit soll auf Stereotype und Vorurteile gegenüber Frauen und Mädchen hingewiesen werden. Diese Voreingenommenheit führt immer noch zu sozialer Ungleichheit aufgrund von Kategorisierungen. Auch wenn wir hier in Deutschland viel erreicht haben, ist es immer noch normal, dass Frauenberufe schlechter bezahlt werden, dass Frauen eher beruflich zurückstecken und sich mehr um Kinder und Haushalt kümmern.
So haben Frauen 2021 in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer (lt. Statistisches Bundesamt). Frauen wenden laut Bundesfamilienministerium pro Tag im Durchschnitt über 52 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kindererziehung, die Pflege von Angehörigen oder ein Ehrenamt auf als Männer.
Es gibt noch etwas zu tun
Ich finde es gut, dass wir am Weltfrauentag nicht nur Frauen wertschätzen, sondern auch bewusst darauf schauen, in welchen Lebensbereichen Frauen auf der ganzen Welt immer noch benachteiligt sind. Da gibt es viele Felder: (bessere) Bildung für Mädchen, mehr Beteiligung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen, die Gleichstellung von Frauen im Beruf, Chancengerechtigkeit, mehr Frauen in Führungsetagen und so fort. Auch die Altersarmut ist weiblich, was auch dem geschuldet ist, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit erheblich zurückfahren, wenn sie Kinder bekommen. Hier wirken noch Rollenmuster und Voreingenommenheit: den Begriff der Rabenmutter gibt es nur bei uns. Wenn sich ein Paar entscheidet, Kinder in die Welt zu setzen, ist es meiner Ansicht nach eine gemeinschaftliche Verantwortung, die Mann und Frau gleichermaßen übernehmen sollten. Was spricht dagegen, dass auch Männer ihre Berufstätigkeit für ein paar Jahre einschränken. Wenn eine junge Frau in „gebärfähigem Alter“ einen Job sucht, gibt es ganz oft die Bedenken, dass sie vielleicht bald Kinder bekommt und dann ausfällt. Bei jungen Männern in „zeugungsfähigem Alter“ gibt es diese Bedenken nicht. #break the bias
Frau sein ist für mich…
Teil meiner Identität. Ich betrachte es als ein Privileg, ein wunderbares Geschenk und gleichzeitig eine große Verantwortung. Ich hatte starke Vorbilder: eine starke Mutter und eine starke Oma – das war in ihrer Zeit nicht selbstverständlich. Sie haben das Geld verwaltet, Entscheidungen getroffen, Verantwortung übernommen. Sie waren selbständige und mutige Frauen.
Ich empfinde Frau sein in allen Facetten als großes Glück und vor allem bin ich von Herzen gerne Mutter, was ich als das größte Geschenk betrachte. Natürlich ist diese Rolle auch mit einer großen Verantwortung verbunden. Ich habe drei wundervolle Töchter und ich hoffe, dass auch ich ein gutes Vorbild für sie war bzw. bin. Die Verbundenheit zwischen mir und meinen Töchtern ist etwas ganz Besonderes. Mittlerweile bin ich auch Großmutter und auch diese Rolle liebe ich sehr.
Wandel ist weiblich
So lautete das Motto des DGB in diesem Jahr zum Weltfrauentag. Wir erleben gerade einen Wandel, der durch die Digitalisierung und die Krisen der Welt befeuert wird. Die Corona-Krise wirkte wie ein Brandbeschleuniger für den digitalen Wandel, der unser Leben auf den Kopf stellt. Prozesse werden immer digitaler, künstliche Intelligenz gehört zum Alltag. Es findet eine Entgrenzung von Arbeit statt, die zunehmend im privaten Bereich Einzug hält. Kommunikation findet auf anderen Ebenen und meist zu wenig statt. Hierarchien lösen sich auf, Führung erhält einen neuen Stellenwert.
Wir leben in einer Welt, die sich gefühlt schneller dreht und sich dabei ständig im Krisenmodus befindet: der Krieg in der Ukraine, die Corona-Krise, die Wirtschaftskrise, die Klimakrise. Dabei greifen Unsicherheit und Kontrollverlust um sich. Erfahrungen aus der Vergangenheit sind plötzlich wertlos, geschmiedete Pläne für die Zukunft vernichtet. Fachwissen überholt sich schneller als wir es lehren können. Neue Berufsfelder entstehen, alte fallen weg. Die Digitalisierung, neue Technologien und künstliche Intelligenz verändern die Art, wie wir lernen, leben und arbeiten. Die Digitalisierung verändert die Berufswelt, die Gesellschaft und generell unsere Art, wie wir leben und arbeiten. Gleichzeitig sehen wir einen Fachkräftemangel, gerade auch in Frauenberufen. Erzieherinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen, Psychologinnen, Medizinerinnen werden dringend gebraucht. Damit Freuen den Wandel auf allen Ebenen aktiv mitgestalten können, brauchen wir weniger Voreingenommenheit, bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen sowie eine gerechtere Aufteilung der Familienarbeit. Wir brauchen zudem weibliche Solidarität, gegenseitige Unterstützung und Vernetzung untereinander. Das erlebe ich in vielen Formen und das stärkt mich persönlich.
Wir sind wirksam
Wir stehen – vielleicht wie noch nie zuvor – vor großen Herausforderungen, denen wir uns dringend stellen müssen. Es geht um nichts weniger als unser Überleben auf dieser Erde. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Der Klimawandel zeigt spürbare Auswirkungen und wir machen weiter wie bisher. „Da muss doch die Politik aktiv werden.“ „Ich kleines Licht kann doch nichts bewirken, da muss sich die Industrie umstellen“ „Wir in dem kleinen Deutschland können nicht den Klimawandel aufhalten“. Vielleicht stimmt das zum Teil, und trotzdem glaube ich, dass jeder und jede Einzelne von uns seinen Teil dazu beitragen sollte – egal ob Mann oder Frau.
Deshalb ist für mich gerade der Weltfrauentag ein Anlass, darüber nachzudenken, wie ich meine Ressourcen und Stärken einsetzen kann, damit die Welt ein besserer Ort wird. Ich will, dass meine Kinder und Enkelkinder auch in Zukunft gut und glücklich leben.